In loser Folge folgen hier persönliche Beiträge zu aktuellen Designfragen – solide, subjektiv, streitbar!
Die Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e.V. kann auf eine ebenso lange wie erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Das ist wunderbar! Ich freue mich, 1999 mit Logo und Layouts Grundsteine für das ambitionierte Prokjekt liefern zu dürfen. Sie tragen noch immer!
Für ein Redesign war es mittlerweile Zeit geworden: Die verwendete Schriftart „Optima“ war nicht mehr up to date und der Verein erwachsen geworden.
Das leider nicht mit dem Urheber abgestimmte Ergebnis lässt allerdings zu wünschen übrig: Die gerade, stabile und heute zu kraftstrotzend wirkende Anmutung des Originals mit explizit individueller Typografie wich einer luftigeren Gestaltung mit nüchterner Beschriftung.
Gut und folgerichtig sind der Verzicht auf 3D-Effekte und der mattere Blau-Ton. Auch die Neigung des Signets ist ein Zugewinn. Aber warum wurde Grundlinie des Vereinsnamens gebrochen? Dass „frei“ mühevoll in die Kurve gezwungen wurde, macht es nicht besser, sondern verstärkt den Eindruck, hier wäre etwas versehentlich abgerutscht. Gut gemeint – aber nur verschlimmbessert. Schade.
03.06.2021
Das Abstellen von Fahrrädern war Thema meiner Diplomarbeit 1997. Dabei ging es auch um Diebstahl und das „Weniger ist mehr“. Entstanden war damals die Idee für „Fahrrad-Poller“, in die sich Fahrräder mit einem Adapter anschließen lassen sollten. Direkt vom Rahmen aus sollte ein Schließ-Mechanismus das Rad mit dem Poller verbinden. Ziel war, Diebstahl zu verhindern, indem ein so angeschlossenes Fahrrad beim Diebstahl zerstört und damit wertlos würde.
Weitergedacht würde ein Lenkerschloss im Steuerrohr das Rad sichern, indem es durch Aufbrechen unfahrbar und wertlos würde. Ein wertloses Rad wird niemand stehlen wollen.
Stattdessen werden Jahr für Jahr neue, teure, schwere Schlösser auf den Markt geworfen. Sie alle haben einen entscheidende Schwäche: Das Schloss ist immer nur additiv, Zubehör. Aber erst wenn der Diebstahl das Diebesgut selbst entwerten würde, wäre eine neue Qualität im Diebstahlschutz erreicht. Wie lange werden wir darauf noch warten müssen?
Entwurf für Fahrradpoller mit Anschließadapter. (Diplom 2019)
22.07.2021 | eine Glosse
Unfassbar – nun gibt es tatsächlich so eine Art eine Deutschland-GmbH! Offiziell benannt als „GmbH des Bundes“ verwaltet sie alle Autobahnen Deutschlands, ist also unmittelbar verantwortlich für
das gefühlte Herz des Landes, Puls und „Lebensader“. Ein Projekt offenbar ganz nach dem Geschmack von Minister Scheuer.
Geschmacklos und Inbegriff der Peinlichkeit: das Logo der Gesellschaft. Die beschränkte Haftung scheint schon hier zu greifen. Handwerklich ein Aushängeschild zum Fremdschämen! Wäre es ein
Straßenbaubetrieb, was würde es kümmern? Ein Putzigkeit unter vielen. Und auch so manche Marke aus eigener Feder hätte Kritik verdient. Aber als „Die Autobahn GmbH des Bundes“ ist dieses hier von
staatstragender Dimension, wird von uns allen getragen. Und der Verdacht liegt nahe: Da hat man aus Steuermitteln ordentlich was springen lassen! Oder selbst gebastelt. Die Staatskasse muss
haften, unbeschränkt.
Zu den harten Fakten! Ins Auge springt schon die Herkunft der Idee – StVO-Schild Nr. 330: Autobahn. Aber wie schön ist dort das Piktogramm im Verkehrszeichen: Ausgewogen sind Flächen und
Kontraste, die Anmutung der Ferne perspektivisch überzeugend stark vermittelt, die Brücke ist eine Brücke, der Weg führt hindurch. Das GmbH-Logo dagegen macht die Grätsche, zwischen den
Fahrspürchen prangt einen Grünsteifen in Ackerbreite. Wer den Blick zum Horizont nicht scheut, muss erkennen: Dieser Weg hier lohnt sich so was von gar nicht! Er führt nicht in die Ferne, sondern
in die Irre! Über eine Wendeschleife geht es zurück von wo man kam. Was soll das? Positiv gedeutet vielleicht Inbegriff für Baustellen, Umleitungen, Überraschungen. Hier steht und dreht man schon
seit Stunden Runden über Runden...
Aber es kommt schlimmer: Gar nicht zimperlich dann der schwarz-rot-goldne Balken! Direkt aus dem hoheitlichen Logo der Bundesregierung wurde er kopiert und einfach um- und flachgelegt – als Rohr
quer über die Straße! Es scheint, als wären beim Gestalten alle Promille-Grenzen und Bedenken gefallen. Bahn frei für die Deutschland-Pipeline! Dann der Gipfel der Einfallslosigkeit: Outlines.
Als Outline kommt daher, was beim Entwerfen schon traurig wirkte. Das Nichts wurde gewaltig aufgeblasen und in eine fragile Hülle gesteckt. Mit dem Ergebnis, dass aus dem schier endlosen
Asphaltband optisch Hackstückwerk wurde und es nun überall ein Ende findet. Vor den Füßen beginnend endet es schon Meter später an der Pipeline-Trasse. Die immerhin nehmen die Outlines ordentlich
in die Mangel und zerquetschen das Rohr, so dass ungehindert gelb das Gas auszuströmen scheint.
Schließlich die Typografie. Stiehlt brutaltsmöglich dem Signet jede letzte Show. Der Artikel fällt seinem Substantiv gehörig wuchtig auf die Decke und setzt energisch an, äußerst links zu
überholen. Schließlich müsste die Strichstärke der Buchstaben das Signet mit seinen Umrisslinchen vor Neid erplatzen lassen. Das Logo ist und bleibt ein Elend – oder Witz? Das Lachen über
Deutschlands Dauerbaustellen auf den Autobahnen hat damit immerhin nun eine Krone bekommen. Als Gipfel und nicht in Würde. Echt bescheuert!
07.10.1997